Antoine Konrad - Ein verführerisches Cuvée
Von House Musik habe ich keine Ahnung und wirklich darauf einlassen wollte ich mich bisher nicht. Bis jetzt. Und das kam so:
Alljährlich findet seit über 60 Jahren in Zürich jeweils im Herbst die Expovina auf den Weinschiffen statt. Beinahe 100 Produzenten, Importeure und Weinfachhändler präsentieren sich an Bord der 12 Zürichsee-Schiffe, rund 4.000 Weine aus allen wichtigen Anbauregionen der Welt werden zur Verkostung angeboten. Die Schreibende konnte selbstverständlich nicht alle Weine verkosten; doch blieb ihr bei ihrem letzten Besuch aus, sagen wir mal 100 degustierten Weinen, genau ein Champagner in prickelnder Erinnerung: jener eines House DJ’s.
Um den Champagner kurz zu beschreiben: der prickelnde Rebensaft duftet wie eine frisch geöffnete Bäckerei; und diese verheissungsvolle Vorfreude wird nicht enttäuscht, im Gegenteil. Im Mund zeigt sich ein knackiges Prickeln, dennoch aber weich, samtig und geschmeidig. Mouthwatering. Ein frisches, mit Zitronenmarmelade beschmiertes Brioche.
Mein Interesse war geweckt: wer ist dieser Mann, welcher Musik, so ganz und gar nicht nach meinem Gusto, und Champagner, so ganz und gar nach meinem Geschmack produziert?
Sucht man bei Google nach DJ Antoine ergibt dies beinahe 24 Millionen Ergebnisse. Das ist ziemlich eindrücklich. Zum Vergleich: sucht man nach „Dom Perignon“ ergibt dies rund 9 Millionen Treffer, „Champagner“ erzielt etwas über 20 Millionen Ergebnisse.
Eine kurze Zusammenfassung: DJ Antoine wurde 1975 als Antoine Konrad in Basel geboren. Seinen internationalen Durchbruch hatte er 2011 mit der Single „Welcome to St. Tropez“, mit „Ma Chérie“ produzierte er zudem die gemessen an den Verkaufszahlen erfolgreichste Single eines Schweizer Musikers aller Zeiten und eroberte die Welt jenseits der Alpen.
Ich fing also an, mir seine Musik anzuhören. Ich sag nur soviel: in welche Risikogruppe die Psychologie Antoine Konrad anhand seiner Texte stecken würde, möchte ich lieber nicht ausloten.
Um mein positives Bild nicht völlig zu erschüttern, entschloss ich mich zur weiteren Recherche und reservierte Tickets für eine seiner Partys; und so kam es, dass ich mich eines späten Abends zum allerersten Mal auf einer House Party befand. Der erwartete Kulturschock blieb aus, meine beiden Freundinnen waren entzückt ob meiner ungewohnten Offenheit gegenüber Zürichs Nachtleben, tanzten wie Teenager direkt vor dem DJ Pult und ich nutzte die Gelegenheit an der Bar meine Konrad Kenntnisse auszuweiten und degustierte mich durch die Karte welche ausschließlich seine Weine anbot.
Denn der Künstler bietet verschiedene Weine an: Neben dem mir bereits bekannten Champagner, gibt es auch einen Rosé Champagner, Prosecco, einen Blanc de Blanc aus dem Veneto, einen Meursault, den „OUD“, bestehend aus 50% Chardonnay und 50% Sauvignon Blanc und ebenfalls aus dem Veneto, sowie drei verschiedenen Pinot Noirs aus Deutschland.
Und mit diesen Pinots aus Deutschland begann auch die Weinkarriere des DJ’s:
Auf Empfehlung eines Freundes hin besuchte Antoine im Jahr 2011 das Weingut von Norbert Spielmann in Wertheim, der nördlichsten Stadt Baden-Württembergs. Eigentlich wollte er lediglich „mal schauen“ und vielleicht einige Flascherl mit nach Hause nehmen; doch degustierte er sich schlussendlich zusammen mit Norbert Spielmann über 6 Stunden durch die Fässer; und so entstand die weinselige Idee, zusammen einen Wein zu kreieren. Das historische Weingut „Alte Grafschaft“ liegt malerisch gelegen mit Blick auf die Burg auf der bayrischen Seite des Mains.
Hier wird seit über 400 Jahren Wein ausgebaut. Man kennt sich also damit aus. 1611 erwarben die Wertheimer Grafen das Anwesen, um Ihre Weine aus den besten Lagen dort auszubauen; und schon zu dieser Zeit war der Wertheimer Wein weit über die Grenzen der Grafschaft bekannt. Und es ist bekannt, dass wenn Goethe ausrief: „Bringt mir noch einen Eymer vom Wertheymer!“ dies dann meist ein Wein aus den beiden besten Steillagen war.
Seit der Trennung der Grafschaft Wertheim durch Napoleon im Jahre 1803 ist es nach Jahrhunderten gelungen, die beiden besten Steillagen auf der Gemarkung der ehemaligen Grafschaft wieder in einem Weingut zu vereinen: den „Kaffelstein“ im bayerischen Maintal (Franken) und den „Satzenberg“ im badischen Taubertal (Tauberfranken).
Heute sind diese zwei Steillagen wieder in dem einen Weingut vereint. Steillagen die heutzutage wegen des enormen Aufwandes und der vielen Handarbeit immer öfters stillgelegt werden, sind der Anspruch des Weingutes Alte Grafschaft: sie wollen diese einmalige Kulturlandschaft erhalten und scheuen keinen Schweiss dafür. In beiden Steillagen ist keine maschinelle Bearbeitung möglich, wodurch ein wesentlich höherer Arbeitsaufwand betrieben werden muss; fast könnte man sagen, sie betreiben Weinbau wie zu Zeiten Napoleons - in hundertprozentiger Handarbeit.
Das kommt den Weinen zu Gute: sie wiederspiegeln par excellence das Terroir der beiden Weinberge, die ausgesprochen subtil sind und die besten Eigenschaften der jeweiligen Rebsorten, des Bodens und des aussergewöhnlichen Kleinklimas erkennen lassen. Ehrliche, mineralische Gewächse mit Charakter, die unverwechselbar sind. Genau wie Antoine Konrad. Passt.
Seine Anfänge in der Welt der Weine erlebte der Musiker hauptsächlich mit schweren Tropfen aus der Neuen Welt. Nachdem er Anfangs der 2000er Jahre in Interviews immer wieder mal einige seiner Lieblingsweine (hauptsächlich Rebensäfte aus Kalifornien) erwähnte, sendete der begnadete Bündner Winzer Martin Donatsch kurzerhand einige seiner Weine an den DJ; mit dem Hinweis, dass es auch in der Schweiz hervorragende Weine gäbe. Antoine war begeistert und seither und bis heute verbindet die beiden eine tiefe Freundschaft. Im Jahr 2004 wurde er dann gar Ambassador für den „Donatsch Chardonnay Unique“. Ein Schlüsselmoment. „Da erkannte ich, dass ich irgendwann mein eigenes Weinlabel haben möchte“.
Und was er will, das bekommt er auch. Unter seinem Label Konrad Wines finden sich die unterschiedlichsten Stile; aber alle Weine haben etwas gemeinsam: die Beeren für alle Leckerschlucke gedeihen auf den besten Weingütern Europas.
Übrigens war die Schreibende, obwohl in Bälde 40 Jahre alt, entgegen ihrer Befürchtungen, dass nur der DJ noch älter sei, keineswegs die älteste Person an der Party: die Mischung aus jungen Schönheiten die den Weinmacher am Mixpult mit, wie soll ich sagen, sehr offener Bewunderung anhimmelten, älteren, distinguiert wirkenden Männern mit ebensolcher Begleitung, verrückten Gestalten und sogar einigen mir bekannten Gesichtern wie beispielsweise einem Onkel (!!), was mich doch etwas überraschte und – ich war nicht überrascht - dem Winzer Martin Donatsch.
Antoine Konrad; ein Schmaus für Augen, Gaumen und mancher Millionen Ohren, hat also durchaus Recht wenn er sagt: „Wein verbindet und schafft Freunde“.
Ich bin gespannt auf seine nächsten Tropfen. Und, ich muss es zugegeben, auch seinen nächsten Titel.
Autorin Shirley A. Amberg
Shirley ist in Zürich geboren und ein Cuvée aus Schweizer, Südafrikanischem, Österreichischem und Englischem Blut. Das schweizerische Blut ist wohl für Struktur und Basis verantwortlich und das südafrikanische sorgt sich um Harmonie und Leidenschaft. Das österreichische gibt dem ganzen Charme und Heiterkeit und das englische kümmert sich darum, dass sie ihren Horizont offen hält und ihre Neugierde durstig bleibt. Bevor sie ihre Leidenschaft zum Beruf machte, war sie im Investment Banking tätig. Auf Ihrer Webseite Shirleyamberg.com schreibt sie über Ihre Tastings und Publikationen zum Thema Wein.
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